Selina Ursprung hat 2020 über die Internetplattform Insecam.org auf das weltweit grösste Verzeichnis von öffentlich zugänglichen Überwachungskameras zugegriffen und Waschsalons beobachtet. Was sie sah, war nicht das, was in der Werbung oder in Hollywoodfilmen inszeniert wird. Menschen schlafen, Smartphones laufen heiss, Kaffeebecher bleiben liegen. Zu Randzeiten wird geputzt. Überall gekachelte Fussböden und in langen Reihen aufgestellte Waschmaschinen und Trockner. Aus wochenlangen Beobachtungen von Waschsalons in Paris, Tokyo, Moskau und anderen Städten ist eine Sammlung von 2’222 Screenshots entstanden. Aus der Bilderflut wurde eine Auswahl getroffen. Den Szenen, die von kulturellen Eigenarten, Einsamkeit und Plastiktüten geprägt sind, wurde Licht und Schatten abgerungen. Selina Ursprung macht in ihren subtilen Bild-Text-Kompositionen Digitales präsent und verhandelt in kunstvollen Sätzen und Zeichnungen die Langeweile des Alltags. Dabei wird die Neugierde der geneigten Leser:innen auf scheinbar banale Dinge geweckt. Anders als die Aufnahmen von Kameras vermitteln die hier publizierten Bilder und poetischen Sätze nicht die vermeintliche Wirklichkeit, verbürgte Informationen, sondern sind gezeichnet von verzerrten Raum- und Zeitperspektiven. Mit einem sozialanthropologisch geschärften Blick wird Spuren gefolgt, Details erwachsen zu Geschichten. In „Waschen und Falten“ bzw. „Wash and Fold“ wird das Überwachen selbst unter die Lupe genommen und über den Voyeurismus der Beobachtenden reflektiert. Selina Ursprung gibt in diesem Buch einen künstlerischen Einblick in eine Welt, die im Kontext der Corona-Pandemie, der Digitalisierung und der globalen Überwachung zu befragen ist.weiterlesen