Die Neubearbeitung von ‚Weltbild und Wirklichkeit’ von 1999 wurde unternommen angesichts der immer rascher erfolgenden Umbrüche in allen Gesellschaften. Die in der Zwischenzeit gewonnenen Erkenntnisse der neurobiologischen Wissenschaften vom Menschen erlauben es uns heute, die Geschichte der großen Kulturen kritischer zu betrachten. Die ehemals Ordnung und Sinn stiftenden Weltbilder der Religionen verhindern jetzt eher die Anpassung an die raschen Veränderungen der Umwelt. Denn ein in sich geschlossenes Weltbild, das diese Veränderungen passiv erträgt oder aggressiv bekämpft,ist dafür wenig geeignet. Notwendig ist die aktive Teilnahme aller, notwendig ist eine weitere geistige Evolution. Die neuen Erkenntnisse über die Struktur und die Formung unserer Verhaltensweisen durch Erziehung und Erfahrung machen die Einsicht unausweichlich, dass der Mensch selbst und nicht irgendeine anonyme Macht sein Schicksal bestimmt. Sein Weltbild entscheidet über sein Verhalten. In seinem Weltbild spiegeln sich seine Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit seinen Antrieben und Gefühlen. Dieses Wissen sollte zu einem völlig neuen Selbstverständnis führen. Betrachten wir rückblickend die großen Kulturen, sehen wir, dass sie meist nicht durch äußere Feinde überwunden wurden. Immer ging dem Untergang auch eine Zersetzung im Inneren voraus. Ähnlich wie heute kam es schon damals durch Überdehnung, durch ausufernde Bürokratisierung, durch zunehmenden Zwang, durch Gewalt und Korruption zu einem allgemeinen Sinnverlust. Dadurch zerfielen auch immer wieder die die Menschen verbindenden Werte wie Vertrauen und Verlässlichkeit. Aus heutiger Sicht scheint das Überleben eines Volkes nicht in erster Linie durch die zunehmenden Sachzwänge der Machtpolitik gefährdet zu sein. Entscheidender war seit jeher vor allem die Fähigkeit des Einzelnen wie die einer Gemeinschaft, auch in Krisenzeiten unabhängig vom offiziellen Recht selbständig soziale Konventionen und ethische Regeln zum Zweck der gegenseitigen Sicherheit aufrecht zu erhalten.weiterlesen