Studien zur Pastoralliteratur im französischen Hochabsolutismus
Produktform: Buch
Immer schon träumten Menschen, insbesondere dann, wenn sie ihre eigenen Lebensumstände als Bedrängnis empfanden, von einem anderen Leben in dieser oder in einer anderen Welt. Die Literatur ist ein herausragender Ort für die Verdichtung derartiger Vorstellungen. In Frankreich wird im Mittelalter in Gestalt der Pastourelle vorgestellt, daß der Chevalier, ohne die strengen Regeln der höfischen Liebe beachten zu müssen, sich in ein ganz anders geartetes Liebesspiel mit der sozial niedrig stehenden Schäferin einlassen darf. Diese Textsorte wird als eine intellektuelle Entlastungsstrategie für jene verfaßt, denen das höfische Liebesritual ganz offensichtlich zu belastend ist.
Im 16. Jahrhundert wird in Frankreich diese utopische und zugleich Weltfluchtfunktion der Pastorale reaktiviert, indem die Impulse von Sannazaro und seiner Arcadia (1504) aufgenommen werden, die Pastorale neu aus der Perspektive antiker Hirtenlyrik und Bukolik zu denken. Immer geht hiermit einher die Einsicht, daß der Traum von einem Leben in Arkadien einen Bruch aufweist und die Gesellschaft in ihren Grundfesten bereits Defizite aufweist, die ein rundum glückliches Leben des Menschen nicht möglich machen. Konkret in der Astrée (1607 sq.) von Honoré d’Urfé begeht der Protagonist Céladon aufgrund der üblen und verwirrenden Nachrede in seinem sozialen Umfeld gleich zu Beginn Selbstmord und der ganze Roman steht viele tausend Seiten lang unter diesem Vorzeichen der Präsenz des Todes in Arkadien. Daß hier der Bogen zu Poussins Gemälde Die Arkadischen Hirten (ca. 1638) mit der in ihm enthaltenen Devise Et in Arcadia ego geschlossen werden kann, ist naheliegend. Doch zur Geschichte der Verarbeitung des arkadischen Traums in Frankreich gehört auch eine poetische Praxis im Umfeld der Astrée, die Gegenstand der in diesem Band versammelten Aufsätze ist.
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