Es hätte ein Medienereignis werden können: Erstmals besuchte ein Bundeskanzler privat die DDR. Doch die Reise von Helmut Kohl blieb bis heute weitgehend unbekannt. Die Presse war unerwünscht. Also besuchte der Kanzler 1988 ohne Aufsehen die DDR und gewann gerade dadurch ein ungeschminktes Bild vom Zustand im anderen Teil Deutschlands.
Die Journalisten Jan Schönfelder und Rainer Erices haben diese spektakuläre Reise rekonstruiert. Sie sprachen mit Helmut Kohl und Ex-Regierungssprecher Friedhelm Ost über ihre mitunter skurrilen Erlebnisse. Sie machten zahlreiche Zeitzeugen ausfindig, die damals dem Kanzler zufällig begegneten. Außerdem recherchierten sie in Helmut Kohls Stasi-Akten und bislang unbekannten SED-Papieren.
Die Autoren enthüllen ein völlig vergessenes Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte: Die unangekündigten Westbesucher tauchten in den DDR-Alltag ein und erlebten den anderen deutschen Staat von einer Seite, wie ihn Staatsgäste nie erlebt haben. Helmut Kohl bezeichnet die Reise heute als eine der bewegendsten seines Lebens. Für ihn war sie der innere Wegweiser zur deutschen Einheit.
Aus dem Vorwort von Helmut Kohl: 'Wie erhofft erfuhren wir während dieser Wochenendreise mehr vom ›realexistierenden‹ sozialistischen Alltag als bei einem offiziellen Besuch. Ob wir in Gotha, Erfurt, Weimar oder Dresden weilten – überall hatten wir direkte Begegnungen mit unseren Landsleuten. Manche von ihnen baten darum, ihnen bei der Ausreise aus der DDR zu helfen, andere ermutigten mich, an der Politik der deutschen Einheit festzuhalten. Es war für mich deutlich zu spüren, wie bedrückend der Überwachungsstaat war und wie sehr die Menschen darunter litten.'weiterlesen