Ein Schilfrohr, auf dem ein romantischer Christuskopf steckt: So wirkt Emilian Galaicu-Păun auf der Straße. Doch weder das Schilfrohr noch das Christusgesicht, die sich hieratisch zwanglos verbinden, stehen lediglich für sein bürgerlich-öffentliches Erscheinungsbild. Sie reichen vielmehr bis ins Mark seiner Poesie, deren thematische Struktur und visionäre Dialektik sie bestimmen. Auf einer ersten Ebene wird das Reale symbolisch erkundet, das Sakrale hingegen realis-tisch, um dann auf einer zweiten Ebene in einem dinghaften Festscheiben der Illuminationen beziehungsweise einem illuminierten Festschreiben der Dinge zu verschmelzen. Hinzu kommt, dass sich diese beiden Schreibweisen so eng ineinander verschränken, dass sie kaum noch zu unterschieden sind, wenn die überbordende Vorstellungskraft den Elfenbeinturm gleichsam zum Bersten bringt und sich als Flutwelle eines poetischen Ausdrucks ergießt, dessen Offenbarung sich als konkreter Spasmus vollzieht, während der Spasmus sich als durchlässige, aber grausige Grammatik des Mysteriums offenbart. Daraus entsteht eine Dichtung voller elektrischer Spannung und konvulsivischer Zuckungen – oder Erschütterungen – des Wesens wie der Sprache; eine Dichtung, die eben erst einer peinigenden Vision entronnen zu sein scheint und eine rasende Imagination in kaum zu kontrollierender Panik auf dem Papier zu bezwingen sucht. Denn es ist dieser romantisch geprägte Furor, aus dem sich die visionäre Grundhaltung von Emilian Galaicu-Păuns Gedichten herleitet; sogar die Realitätsbezüge, die brutalen Einschnitte des Banalen, zeugen von prophetischem Fieber – es handelt sich nicht um simple Wiedergaben, sondern um vehemente Verallgemeinerungen von Ängsten, so dass die Wirklichkeit, und sei sie noch so bedrängend, weniger auf der Wort- als vielmehr auf der Vorstellungsebene zum Tragen kommt: als imaginative Hypothese und Hypostase, als entropische Epiphanie.
Der Diskurs ist von überbordender barocker Fülle. Themen ufern aus. Einfälle überstürzen sich lawinenartig. Selbst feinste Abstufungen eines Zustands, eines Umstands oder eines Vorgangs (Symbole, die immer wieder ein unentwirrbares Knäuel bilden) werden eingefangen und gehäuft – dem Kriterium einer visionären „Vollständigkeit" gemäß. Doch Emilian Galaicu-Păun kontrastiert, zumindest vordergründig, immer wieder das Wuchern der Vision, also auch des Textes, mit der Zuspitzung des Existenziellen, also auch des Sinnes – Impulse, deren Gegensätzlichkeit er naturgemäß erst gar nicht hervortreten ließe, wenn er sich ihrer nicht gleichzeitig bediente, wenn er nicht danach suchte, zwei poetische Verfahren, die sich scheinbar gegenseitig ausschließen, ineinander aufgehen zu lassen. Bloß dass Galaicu-Păun auch dann „existenzialisiert", wenn er sich allumfassend verbreitet, und selbst in jenen Augenblicken abschweift, wenn er die Vision dramatisch zuspitzt. Und das nicht schrittweise oder abwechselnd, sondern in einem Zug, so dass die barocke Fülle blitzartig zerstiebt und die existenzielle Zuspitzung – als eine Art von Rechtfertigung – wortreich zerfließt.
Diese unmögliche Synthese funktioniert nach dem Strukturprinzip eines visionären Oxymorons und strebt danach, das Gegensätzliche, das sich im jeweils anderen offenbart, voll auszuschöpfen und auszukosten. Das gleiche Strukturprinzip einer unmöglichen Synthese lässt Galaicu-Păun auch auf handwerklicher Ebene walten, indem er die elektrisierende Spannung einiger Sequenzen auf die kunstvoll arrangierte Detailflut anderer Sequenzen prallen lässt, also dem Elfenbeinturm die Bastelwerkstatt entgegensetzt, wobei die formale Virtuosität auch intertextuelle Spiele, subtile Dekompositionen und gelehrte Arrangements mit einschließt. So scheint die unkontrollierbare poetische Eruption von intelligenter Sorgfalt gebändigt zu werden und der visionäre Furor von literarischem Können. Gewiss handelt es sich dabei um zwei unterschiedliche Rhythmen, ja Tempi der Imagination: einerseits die mitreißende Begeisterung, andererseits die peinliche Genauigkeit. Doch auch sie wechseln sich nicht ab, sondern treten simultan auf, weil erst die künstliche Verzögerung eine eruptive Beschleunigung ermöglicht. Galaicu-Păun bewegt sich also mit zwei Geschwindigkeiten gleichzeitig.
Der grundlegende Gegensatz von priesterlicher Askese und barocker Abundanz, von Sinnsuche und Detailfülle wird von einer Art geschichtlichem Vampirismus der Vision aufgehoben. Galaicu-Păuns Schreibweise mag zwar ebenso raumgreifend wie raumfüllend scheinen, doch sie ist extrem restriktiv. Seine Bücher verschlingen einander, indem das jeweils letzte das Wesentliche aus den vorausgegangen aufsaugt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die Wiederaufnahme von Texten, sondern vielmehr von Symbolfeldern und Daseinsfragen, die in andere visionäre Dimensionen gerückt werden. Nur das Unvermögen, das letzte, das wesentliche, gewissermaßen das „Buch der Bücher" zu schreiben, hat Galaicu-Păun zu einer schrittweisen Annäherung gezwungen. Im Übrigen gleicht sein Projekt einer Pyramide, wobei der ausufernde Text lediglich das perverse Ergebnis der visionären Zuspitzung und tiefgründigen Verdichtung ist.
Prof. Dr. Al. Cistelecan
Kritische Stimmen*
Er kommt aus dem umstrittensten Landstrich unserer Geschichte [...] und zählt zu den wenigen, die es gewagt haben, ihr Schicksal neu zu deuten und dessen unerbittlichen Ablauf zumindest in Ansätzen zu verstehen: „Tod ist Wiedergeburt". Deshalb, Weggenossen, sputet euch nicht, ihn öffentlich hinzurichten!
Dan-Silviu Boerescu, 1995
Mit seinem weit ausgreifenden, energiegeladenen literarischen Auftreten hat Emilian Galaicu-Păun bewiesen, dass eine Rettung der rumänischen Kultursphäre, innerhalb ihrer selbstverständlichen Grenzen, aus eigener Kraft durchaus möglich ist.
Virgil Mihaiu, 1995
Das Schreibfieber [...], die Erlebnistiefe und die Erfahrungsdichte von Emilian Galaicu-Păuns Versen weisen ihn als einen Dichter aus, den es zu beachten gilt.
Romulus Bucur, 1993
Ich riskiere es, mich in die Nesseln zu setzen, wenn ich behaupte, dass Emilian Galaicu-Păun der Totengräber der zeitgenössischen Lyrik ist. Eine Art Türschließer. [...] Weil das beschädigte Universum seiner Poesie sich nicht nur selbst verschwendet, wie man zunächst annehmen könnte. Es ist sehr wohl auch gefräßig wie ein Schwarzes Loch, das alles unterschiedslos verschlingt. Emilian Galaicu-Păun ist ein Dichter, der sich alle „gültigen" Ideen einverleibt und bloß vortäuscht, ein großzügiger Geist zu sein. Er ist der totale Poet.
Mircea V. Ciobanu, 1995
Der Horror vacui treibt Galaicu-Păuns Gedichte zur (Wieder-)Entdeckung des Glaubens. Die „Begegnung" mit Gott wird zum dramatischen Erlebnis, jenseits von Konventionen, weil der Autor als Vertreter der Postmoderne all seinen Zweifeln Ausdruck verleiht.
Andrei Bodiu, 2002
So ergibt es sich, dass der Dichter, der hartnäckig die Demarkationslinie zwischen Welt und Text aufzuheben versucht, die Geschichte beim Wort nimmt und in ein verwünschtes Buch verwandelt [...]. Ein Verfahren, das im Falle dieses Dichters eine Form von Exorzismus zu sein scheint, die das Absurde zu vernichten sucht, indem sie es der Lächerlichkeit überführt und der Parodie überantwortet. Er bewegt sich also auf postmodernen Bahnen, was nahelegt, Emilian Galaicu-Păuns „stumme" Texte [...] als eine groteske Pantomime aufzufassen, die höchst geistreich die Geschichte als Fiktion enttarnt.
Octavian Soviany, 2002
Die Entmythologisierung vollzieht sich nicht auf der Ebene der Parodie wie bei Sorescu, sondern eher auf jener der Revolte und des Abscheus wie bei Ezra Pound: eine Art Cantos führen eine Apokalypse vor Augen, die Texte und Seelen, Jahreszeiten und Gesetze gleichermaßen beschädigt ...
Constantin Abaluţă, 2003weiterlesen