An einer Technischen Universität, an der Bauingenieurwesen
und Architektur seit weit mehr als 125 Jahren gelehrt werden,
war es sicherlich nahe liegend, dass im Rahmen eines
Modellversuchs, der der Hochschule insgesamt mehr Autonomie
einräumt, auch über die Verantwortung für die Baumaßnahmen
diskutiert wurde. Dass aber die Universitätsleitung
den Mut und das Land Hessen das Vertrauen hatte, dass
diese verantwortungsvolle und auch nicht ganz problemund
risikolose Aufgabe der Universität selbst übertragen
werden sollte, war im Umfeld bundesdeutscher Hochschulen
alles andere als selbstverständlich. Der Regelfall ist nach wie
vor, dass für die Durchführung der Hochschulbaumaßnahmen
die staatlichen Bau- und Liegenschaftsbetriebe der jeweiligen
Länder und damit Institutionen außerhalb der
Hochschulen zuständig sind.
Als die Rahmenbedingungen des Autonomie-Modells der TU
Darmstadt definert wurden, konnte die Universität mit dem
damaligen Präsidenten und Bauingenieur Prof. Dr.-Ing. Wörner
an ihrer Spitze glaubhaft vermitteln, dass Hochschulautonomie
für die TU Darmstadt folgerichtig und zwangsläufig
auch die Autonomie bei der Abwicklung der Bauangelegenheiten
bedeutet. Durch die Regelungen im „TU Darmstadt-
Gesetz“, das eigentlich den sperrigen Titel „Gesetz zur organisatorischen
Fortentwicklung der Technischen Universität
Darmstadt“ trägt, wurde die TU Darmstadt am 1. 1. 2005 zur
Modellhochschule für eine umfassende Autonomie. Durch
die einfache Formulierung im Gesetzestext: „die TU Darmstadt
ist für ihre Grundstücks- und Bauangelegenheiten
selbst zuständig“, konnte die Universität fortan auch sämtliche
Phasen bei der Betreuung und Durchführung von Baumaßnahmen
in eigener Verantwortung durchführen, ohne
dass zwingend der aus dem ehemaligen Staatsbauamt hervorgegangene
Landesbetrieb Hessisches Baumanagement
(hbm) eingeschaltet und beauftragt werden musste. Das in
dieser Form an der TU Darmstadt neu gebildete Dezernat
Bau und Immobilien (seit November 2014 Dezernat Baumanagement
und Technischer Betrieb) übernahm neben anderen
Aufgaben wie dem Flächenmanagement und dem
kaufmännischen Gebäudemanagement, einschließlich der
Abwicklung von Ver- und Anmietungen sowie Veräußerung
und Kauf von Liegenschaften, nunmehr auch sämtliche Bauherrenaufgaben.
Hierzu wurden 9 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Niederlassung
des Hessischen Baumanagements (hbm) in
Darmstadt, die bereits in den Vorjahren kleine Bau- und Bauunterhaltungsmaßnahmen
für die TU Darmstadt betreut
hatten, an die TU Darmstadt versetzt. Durch diesen Personalübergang
war auch der Fortgang der über das Jahr 2004
hinaus laufenden kleinen Baumaßnahmen sichergestellt.
Weiteres Personal zur Abwicklung der großen Bauvorhaben
wurde in den nachfolgenden Jahren projektbezogen und
sukzessive bedarfsgerecht zusätzlich eingestellt. Die Autonomie
in Bauangelegenheiten war damit auch ein Umorganisations-
und Aufbauprojekt innerhalb der Universitätsverwaltung.
Im ersten Jahr 2005 mit insgesamt rund 30 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern einschließlich des Personals
für die Liegenschaftsverwaltung gestartet, wurde der Personalstamm
des Dezernats Baumanagement und Technischer
Betrieb durch zum Teil projektbezogene Verstärkungen bis
zum Jahr 2014 annähernd verdoppelt.
Die Bedarfs- und Programmplanung in Abstimmung mit den
zukünftigen Nutzern, die Betreuung der Planung der Baumaßnahmen,
die Ausschreibung und Vergabe von Bau- und
Planungsleistungen einschließlich der Durchführung von Architektenwettbewerben
sowie das Beauftragen, Abrechnen
und Abnehmen der Leistungen einschließlich des Controllings
der Qualitäten, Kosten und Termine werden seit dem
Jahr 2005 durch das Dezernat Baumanagement und Technischer
Betrieb wahrgenommen. Um eine weitere gesetzliche
Vorgabe umzusetzen, nämlich geeignete Maßnahmen zur
Korruptionsvermeidung zu treffen, hat die Universität weiterhin
mit dem „Competence Center Vergabe“ des hbm in
Fulda kooperiert und die formale Abwicklung der Bauvergaben
dort durchführen lassen. Dadurch konnten sowohl
der Standard als auch die etablierten IT-gestützen Verfahren
analog zum sonstigen Landesbau gesichert werden.
Ansonsten gelten für die TU Darmstadt letztlich die gleichen
Regeln wie für den Landesbetrieb hbm. Ein wesentlicher Unterschied
ist allerdings, dass die TU Darmstadt ein jährliches
Bauinvestitionsbudget zur eigenen Verwaltung erhält und
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Thorsten Schmidt Einleitung
hierdurch die Anmeldung und Einzelveranschlagung der
Baumaßnahmen im Bauhaushalt des Landes entfällt. In der
ersten Modellversuchsperiode in den Jahren 2005 bis 2009
hat die TU Darmstadt für Bau- und Geräteinvestitionen jährlich
einen Betrag in Höhe von 20 Mio. Euro erhalten. Seit
dem Jahr 2010 wurde das Budget zur Kompensation weggefallener
Bundesmittel nach der Abschaffung der allgemeinen
Hochschulbauförderung auf jährlich 25,5 Mio. Euro aufgestockt.
Darüber hinaus konnte die TU Darmstadt von Sonderprogrammen
wie dem Konjunkturpaket II, dem Sonderinvestitionsprogramm
des Landes, dem Hochschulpakt 2020
und weiteren Sonderfinanzierungszusagen insbesondere für
die Universitäts- und Landesbibliothek und das Schloss profitieren,
sodass die jährlichen Bauausgaben im Jahr 2012
mit rund 100 Mio. Euro ihren bisherigen Höhepunkt erreichen
konnten. Vernachlässigbar war hierbei die ebenfalls
durch das „TU Darmstadt-Gesetz“ eingeräumte Möglichkeit,
nicht benötigte Liegenschaften veräußern und entsprechende
Erlöse zur Verstärkung der Investitionsmittel verwenden
zu dürfen. Diese durch das Wachstum der Universität nur für
kleineren Streubesitz nutzbare Option ist aber über die
Übertragung der Zuständigkeit für die Baumaßnahmen hinaus
ein weiterer Ausdruck einer umfassenden Autonomie.
Erst am Ende eines Jahres hat die TU Darmstadt gegenüber
dem Land über die getätigten Grundstücksgeschäfte zu berichten.
Da ansonsten hierzu keine ministeriellen Genehmigungen
erforderlich sind, kann die TU Darmstadt durch die
gesetzliche Ermächtigung faktisch und vollumfänglich Eigentümerrechte
ausüben, ohne dass die Grundstücke ihr tatsächlich
durch Grundbuchänderung übertragen wurden.
Durch die Bündelung der Zuständigkeit für die Grundstücksund
Bauangelegenheiten in der Universitätsverwaltung ist
der Kreis der insgesamt Beteiligten deutlich kleiner geworden
und es konnten durch flachere Hierachien und die abschließende
Entscheidungsbefugnis direkt beim Präsidium
schnellere und effizientere Abläufe erreicht werden. Mit der
Autonomie konnte somit im Wesentlichen eine Verwaltungsbeschleunigung
erreicht werden, die es der TU Darmstadt
ermöglicht hat, schneller auf sich ändernde Anforderungen
aus Lehre und Forschung zu reagieren. Nach der erfolgreichen
Evaluierung der „Bauautonomie“ an der TU Darmstadt
wurden im Jahr 2009 vergleichbare Regelungen als Wahlmöglichkeit
für alle Hochschulen in das Hessische Hochschulgesetz
aufgenommen. Selbst der Hessische Rechnungshof
hat der TU Darmstadt nach einer Prüfung vor Ort in den
„Bemerkungen 2011“ bestätigt, dass es ihr gelungen sei, „die
Baumaßnahmen eigenverantwortlich, flexibel und zeitnah
durchzuführen.“
Neben den Rahmenbedingungen wurde der Erfolg auch
durch das große Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Dezernats Baumanagement und Technischer Betrieb
ermöglicht. Ein nicht unerheblicher Teil hatte bereits
seit dem Studium einen persönlichen Bezug zur TU Darmstadt
aufgebaut und damit ein hohes Maß an Identifikation
mit den Aufgaben und dem Arbeitgeber mitgebracht. Die
breite eigene Kompetenz und Erfahrung des Personals im
Dezernat Baumanagement und Technischer Betrieb bei der
Planung und Umsetzung von Bauprojekten ist ein wesentlicher
Schlüssel für die erfolgreiche Wahrnehmung der Bauherrenfunktion
und der Projektsteuerung, auch wenn für die
Realisierung der Projekte überwiegend externe Planungsbüros
beauftragt werden. Hierdurch können insbesondere in
der Projekteinleitungs- und Entwicklungsphase mit den zukünftigen
Nutzern die für eine schnelle und wirtschaftliche
Realisierung erforderlichen Fragestellungen geklärt und erste
Skizzen oder Visualisierungen erstellt werden.
Die Bauautonomie als ein Bestandteil des umfassenden Autonomiemodells
an der TU Darmstadt ist inzwischen längst
etabliert und nicht mehr wegzudenken. Die Bautätigkeit an
der TU Darmstadt hat unter diesen Bedingungen einen neuen
Höhepunkt erreicht, wie es ihn zuletzt in der Ausbauphase
der frühen 1970er-Jahre gegeben hat. Die zahlreichen im
Rahmen der Autonomie seit 2005 erfolgreich durchgeführten
Bauprojekte haben der Universität ein neues Gepräge
und eine neue baulich-räumliche Qualitität gegeben. Sie
sind damit ein deutlich sichtbarer Beleg für die Leistungsfähigkeit
der Hochschulautonomie an der TU Darmstadt insgesamt.weiterlesen