Zeitdiagnose ist eine wissenschaftliche Aufgabe, die aber ihrerseits, wie es in diesem Band geschieht, auch wissenschaftlicher Beobachtung unterliegt und unterliegen muss. Im ersten Teil geht es um die Entwicklung einer Theorie der Zeitdiagnostik. Die Identifizierung zeitdiagnostischer Leitbegriffe war ohne normative Grundlagenreflexion nicht möglich, denn es bedarf eigener Situationsdefinitionen, um mit den Großdiagnosen in einen Dialog eintreten zu können. Im zweiten Teil geht es deshalb um den Sprung von der Urteilskraft zur Entscheidung, im dritten und vierten um zeitdiagnostische Leitbegriffe wie Nationalstaat, Identität, Komplexe Freiheit, Diversität und Privatisierung. Die coda in diesem Band bildet die kritische, aber durchaus wohlwollende Reflexion kommunitarischer Zeitdiagnostik.Zu beobachten ist eine erstaunliche Konvergenz von Zeitdiagnosen, die durchweg alle über die unterschiedlichen Methodologien, Schulen, Richtungen und Fächer hinweg den Epochenbruch von der Moderne zur Postmoderne, zur postindustriellen Gesellschaft, zur Dienstleistungsgesellschaft, den Wertewandel etc. konstatieren. Eine derartige Konvergenz in den wissenschaftlichen Befunden hat eine erhebliche Beweiskraft, da mit sehr unterschiedlichen Methoden und fachlichen Hintergründen, auch auf der Basis sehr unterschiedlicher empirischer Materialen das Gesamtergebnis starke Ähnlichkeiten aufweist. Das zeigt, dass Zeitdiagnose vor allem Wirklichkeitswissenschaft ist und damit alles andere als ein medialer oder populärer Rest eines früheren, noch nicht ausdifferenzierten Stadiums der Wissenschaften. Sie ist eine Chance, gegenwartsrelevante Forschungen voranzutreiben und interdisziplinäre Perspektiven zu entwickeln, wie es in den Natur- und Lebenswissenschaften längst eine selbstverständliche Grundlage jeder Innovativität gerade auch der avanciertesten Spitzenforschung geworden ist.weiterlesen