Grundlegung einer theologischen Ethik des nicht suspendierten Zweifels
Produktform: Buch
Weihnachten 1914 an der Westfront. Für einen Moment schweigen die Waffen, begegnen sich die Soldaten im Niemandsland, teilen gemeinsam die Sehnsucht nach Frieden. Was wäre, wenn aus dieser „Unterbrechung“ im Krieg das Ende des Ersten Weltkrieges geworden wäre, wenn Millionen von Menschen nicht getötet worden wären?
Ausgehend von der modellhaften Analyse der Waffenruhen um Weihnachten 1914 untersucht diese friedensethische theologische Arbeit weitere „Unterbrechungen von Gewalt“ im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Inspiriert durch den amerikanischen Sozialphilosophen Michael Walzer entwickelt der Verfasser seine These anhand der Analyse historischer Beispiele. Er folgt dabei den biographischen Linien dreier katholischer Soldaten (Dominik Richert, Heinrich Böll und Heinz Droßel), die auf deutscher Seite gekämpft haben, ganz bewusst aus der Sicht eines „Kriegsenkels“.
Anhand zahlreicher Beispiele wird die Tragfähigkeit des Konzepts der „Unterbrechung von Gewalt“ ausgewiesen und unter anderem in Auseinandersetzung mit Konzepten der historischen Widerstandsforschung konturiert. Der Kerngedanke ist, dass sich in diesen Handlungen, die von beginnender Nonkonformität bis hin zum Rettungswiderstand reichen, ein Zweifel an der militärischen Logik, ein Zweifel an Feindbildern zeigt, der von der Menschenwürde ausgeht. Von dem Gedanken her, diesen Zweifel nicht stillzulegen, nicht zu „suspendieren“, entwickelt Michael Schober einen ethischen Zugang, den er für die Friedensarbeit fruchtbar zu machen sucht. Nicht nur in den extremen Kontexten der beiden Weltkriege und der Shoah ist es notwendig, Alternativen zur Gewalt zu denken, im Sinne der Menschenwürde Machtstrukturen in Zweifel zu ziehen, Frieden zumindest für möglich zu halten, sich vorzustellen, was wäre, wenn ...
This paper starts by analyzing ceasefires that occurred on the Western Front on Christmas Day 1914 from ethical and theological perspectives. Inspired by the American social philosopher Michael Walzer, this thesis explores examples of ceasefires and other “interruptions of violence” during both world wars. The analysis is aligned with three biographical lines of soldiers who fought on the German side (Dominik Richert, Heinrich Böll and Heinz Droßel) during World War One and World War Two. The “interruption of violence” is introduced as an ethical concept and operationalized through historical and scientific research. Military tradition, based on conformity, tends to favour the elimination of doubt in the context of war. However, this work maintains that as the seed of doubt emerges, it builds into resistance and to saving human life and not “saving the enemy”. Human dignity and the concept and understanding of “enemy” during war dispel commonly assumed military tactics which aim to dehumanize and thus enable the destruction of the perceived “other”. Impulses that trigger doubt can start with seeing opposing soldiers in their vulnerability (“naked soldiers”) and perpetuate the resistance to killing by building bridges to the “other”. In acknowledging their compassion and following their conscience with regard to the enemy, Michael Schober extracts and disseminates examples of soldiers preventing or stopping the active killing of an opposing soldier in the context of Dave Grossman’s study of resistance to killing. The important interplay between doubt and the interruption of violence allows the author to extricate the ethical underpinnings of war and what eventually leads to peace. Michael Schober received his PhD from the Department of Catholic Theology at the University of Tübingen in conjunction with German Literature and Political Science. After working as teacher in adult education, Michael Schober is now an advisor in religious education and methodology in the department of Catholic Theology at the University of Hildesheim.
Die erste elektronische Veröffentlichung dieses Werkes erfolgte 2012 im Online-Publikationssystem der Universität Tübingen:
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-71063
Für die vorliegende Fassung (2019) wurde die Arbeit von 2012 nochmals redigiert, korrigiert und im Fußnotenteil mit kleineren Ergänzungen versehen. Das Literaturverzeichnis wurde auf die zitierte Literatur reduziert und neu unterteilt. In den Fließtext der Arbeit wurde inhaltlich nicht mehr eingegriffen.weiterlesen