Formales:
Die Arbeit an meinem ersten Roman beanspruchte etwa ein Jahr. Es ist der erste Stadtroman Herzogenaurachs, ein historischer und fiktiver Liebesroman, der um das Jahr 1525, zur Zeit der Bauernkriege spielt, gleichwohl kein historischer „Schinken“. Es war mir eine Lust, die nackten Fakten der Historiker und Archive mit Phantasie und Leben zu erfüllen, Figuren herauszuschälen, laufen und sprechen zu lassen. Ein Reizfeld bilden die epochalen Umbrüche der Zeit um 1500 in Europa. Der Roman ist mehrschichtig. Der Fortgang der Liebesgeschichte wird begleitet von historischen Einblendungen und Kurzporträts von Zeitgenossen (Luther, Melanchthon, Riemenschneider). Auf einer, der Zeit überlegenen Ebene sprechen am Ende eines jeden der fünf Kapitel die Furien. Ihr Furor lebt aus der gefährlichen Kraft der Erinnerung. Sie stimmen den Chor der Undankbaren an. Sie erinnern die abendländische Judenverfolgung. Sie schmunzeln über eine Aktionärsversammlung. Die Furienstimmen gaben mir die verführerische Möglichkeit, die Gegenwart mit einzubeziehen. In stimmigen Bildern, in stämmiger Sprache habe ich eine Stadt, eine Epoche, eine Liebe skizziert. Man atmet fränkische Renaissance, Lokalkolorit in Details und Figuren, in Bildern, Szenen und Geschichten. Ein stattlicher, kritischer Anmerkungsteil verweist auf die Quellen.
Inhalt:
Der Titelheld Zoltan provoziert durch eine kühne Tat den Herzogenauracher Amtmann Hans von Rabenstein, als er einer Verurteilten, der Graserin Margareta, hilft und selbst in die Hasslinie des Amtmanns gerät. Dessen Gesellen töten Zoltans geliebte Ziege. Die Ziege steht auch für die Steuer, das Ungeld, das trotz der Missernten unerträglich in die Höhe springt.
Zoltan steht zwischen zwei Frauen: Magdalena, der Tochter des Amtmanns, und Margareta. Eine Frau himmelt er an, sie weckt seine geistige Liebe. Die zweite schlägt ihn in ihren magischen Bann, verführt ihn und befreit ihn im Grunde aus seinem unreifen Elend, ohne dass er es recht begreift. Der unbestechliche Blick des Fremden, des Titelhelden Zoltan, der ein Findelkind ist, durchschaut die Dinge, indem er die Augen aufmacht und indem er vor allem seinem Liebesimpuls und nicht dem Krieg folgt. Er zahlt für seine fixe Idee. Zoltan entdeckt eine Spur seiner Geschichte durch einen Juden aus Cadolzburg. Seine Wurzeln weisen nach Ungarn. Ein junger Mensch reift heran, sich ganz zu geben und seine Spur zu hinterlassen, bevor ihn die ferne Welt ruft.
Das Lebenspanorama einer neuzeitlichen Kleinstadt im Umkreis von Nürnberg wird mosaikartig gemalt: Markttag und Tanz, Badleben, Jagdgesellschaft und Ratssitzung, Mordfall und Gericht, Gasthaus und Schmiede, Burg, Schule, Pfarrhaus und Spital. Juden wie Christen kommen vor, Bauern, Handwerker, Künstler und Kaufleute, Lehrer und Schüler, Kleriker wie Humanisten, Reformfeindliche, Schwärmer und evangelisch Bewegte. Starke Gegensatzpaare ziehen sich durch. In jener Zeit spaltet sich die Kirche (erneut) und schafft Grenzen bis heute. Der Roman zeichnet in Zeitlupe die konfessionelle Spaltung nach. Gleichzeitig startet mit Entdeckerdrang, Radikalität und Brutalität die Eroberung und Kapitalisierung des Globus.
Im Hintergrund zieht düster der Bauernkrieg herauf. Die Zumutungen spitzen sich zu und entladen sich gewalttätig. Burgen und Schlösser werden weithin zerstört. Die Aufrührer werden bitter bestraft. Luthers ambivalente Haltung zum gemeinen Volk wird deutlich. Es gibt handfeste kriegerische Szenen, geschöpft aus den Archiven: Plünderungen in Forchheim, Frauenaurach, Münchaurach, Cadolzburg, Bamberg. Historisches verwebt sich mit Erfundenem. Auf dem Höhepunkt des Romans findet ein (Film reifer) zeitgetreuer Prozess auf dem Marktplatz statt, mit Cadolzburger und Nürnberger Beteiligung. Zoltans Ziehvater, der Bauer Morgenstern aus Obermichelbach, zieht aus Protest und Verzweiflung in den Krieg. Die Weisheit eines zur Strafe Geblendeten spricht sich später prophetisch in ihm aus, mitten auf dem Marktplatz von Herzogenaurach. Bauer Morgenstern deckt die Abgründe des Krieges auf. Die kleinen Leute erhalten eine Stimme. Sie sind nicht nur die Dummen. Der Herzogenauracher Stadtschreiber und Lehrer Andreas Kern entwickelt sich zum geheimen Chronisten. Durch alles hindurch spürt man den Atem der Liebenden, die den Rahmen, die Pläne, die Grenzen, die Lager zu sprengen versuchen.
Herzogenaurach 7/2007
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