Weltweit lebt im Jahr 2020 etwa ein Achtel der Bevölkerung in urbaner Armut. Deren Siedlungsstrukturen, häufig als informelle Siedlungen bezeichnet, weisen spezielle morphologische Charakteristika und einen mangelhaften Zugang zu Infrastrukturen auf. Speziell technikwissenschaftliche Untersuchungen dieser informellen Siedlungen sind bisher nicht vorhanden. Eine solche Perspektive wird in der vorliegenden Arbeit eingenommen indem ein einfaches Modell entwickelt und untersucht wird. Dieses beschreibt die Entstehung informeller Siedlungen aus einer Wechselwirkung zweier sozialer Gruppen, wobei das Verhalten der beiden Gruppen durch zwei Arten der Migration beschrieben wird: (i) der Fernmigration, die den Zuzug der Bevölkerung vom Land in die Stadt beschreibt, sowie (ii) der Kurzstreckenmigation, die durch die Mobilität der jeweiligen Gruppen innerhalb der Stadt beschrieben wird. Die typischen Skalen informeller Siedlungen sind dem Modell nach im zwischenmenschlichen Verhalten vorhanden und werden diesem nicht von außen aufgeprägt. Diesen theoretischen Überlegungen werden empirische Daten von Siedlungsverteilungen in acht Städten des globalen Südens gegenübergestellt, in denen unter Verwendung von Satellitendaten informelle Siedlungen identifiziert werden. Dabei werden die Größenverteilungen, sowie die räumlichen Anordnungen der informellen Siedlungen untersucht und gezeigt, dass sich die Größen der über 7000 untersuchten informeller Siedlungen ähneln und 85% aller Siedlungen eine Grundfläche zwischen 0.001 und 0.1 km2 aufweisen. Diese Skala kann für die Entwicklung von Konzepten zur infrastrukturellen Versorgung dieser Siedlungen oder als Mindestauflösung epidemiologischer Analysen verwendet werden.

Da es (gegenwärtig) keinen feststehenden Kanon an Vorgehensweisen für die Durchführung von Reallaboren gibt, ja mehr noch der Begriff des Reallabors selbst einige Vagheiten aufweist und nicht zuletzt deshalb auch zu in unseren Augen unzulässigen Inanspruchnahmen des Labels Reallabore für ganz anders geartete zivilgesellschaftliche Beteiligungsverfahren kommt – aufgrund all dessen ist es uns ein besonderes Anliegen, mit dem vorliegenden Band einen Akzent auf die praktische Umsetzung von Reallaboren zu legen. Des Weiteren haben wir ganz bewusst auch mögliche Scheiternsquellen von Reallaboren nicht ausgespart, sondern möchten ganz gezielt auf mögliche Hürden, aber auch Begünstiger des Reallaborprozesses hinweisen. Schließlich zeichnen wir Wege nach, wie man mittels anderer Methodiken die Rahmenbedingungen und ein Klima schafft, innerhalb derer bzw. dessen sich das ganze Potential von Reallaboren entfalten kann. Insofern sehen wir in dem vorliegenden Band auch eine Quelle der Inspiration und Anleitung für Praktiker*innen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Reallabor selbst zu initiieren und/ oder durchzuführen.