Melancholie ist ein Gemütszustand, eine Charaktereigenschaft – Depression da- gegen eine Krankheit. Irgendwo zwischen Traurigkeit und Träumerei scheint die Melancholie angesiedelt zu sein. Pop, Jazz oder Klassik kann entweder melan- cholisch klingen oder ist aus einem Übergang der Melancholie in Aufbruch und Lebensfreude entstanden. Sie kommt und geht und ist etwas vom Schöneren im Leben – etwas, das kreativ machen kann. • Alexander Camaro wurde immer wieder als großer Melancholiker bezeichnet, sein Schaffen als seltener Sonder- fall betrachtet. Im westlichen Nachkriegsstaat blieb er mit seinen gegenstands- bezogenen Bildern in den Augen der Kunstkritik eine „interessante Ausnahme, ein distinguiertes Überbleibsel“ (Anthony Thwaites, 1961) der Zwischenkriegs- moderne. • Auch innerhalb des kulturpolitischen Bewertungsschemas der So- wjetischen Besatzungszone, wo man ab 1948 offiziell eine sozialistisch-realis- tische Kunst etablieren wollte, fiel Camaro durch das Raster. Dennoch erwarb das Kunstmuseum Moritzburg, Halle (Saale) bereits im Jahr 1947 Gemälde von
Alexander Camaro. Durch seine Sammlungspolitik versuchte das Museum, die durch die nationalsozialistischen Säuberungsaktionen verursachten Verluste auszugleichen. Durch den Erwerb von Werken Alexander Camaros, Horst Strempels, Werner Heldts, Curt Lahs‘ und Karl Hofers entstand eine Stim- mung innerhalb der Sammlung, die durchaus mit dem Begriff der Melancholie beschrieben werden kann und später das Kunstschaffen in der Saalestadt maßgeblich beeinflusste. Diese ganz besondere Stimmung wurde durch den Galeristen Eduard Henning verstärkt, der zeitgleich Arbeiten von Karl Hofer, Hermann Bachmann und Ulrich Knispel in seinen Galerieräumen zeigte. • Grenzüberschreitend herrschte so in Halle (Saale) für kurze Zeit ein Klima der künstlerischen Freiheit und Selbstbestimmung, das lange Zeit nachwirkte und Generationen prägte. • Dieser besonderen Stimmung geht die Ausstellung
in der Kunsthalle ”Talstrasse“ nach, indem sie Werke von Alexander Camaro in den Mittelpunkt rückt und ihm Arbeiten ausgewählter Zeitgenossen und Seelenverwandter aus Berlin und Halle (Saale) zur Seite stellt. Dabei sind weder Kategorien der Formalismus-Debatte, Herkunft oder politische Im- plikationen entscheidend, sondern ein besonderes melancholische Kolorit einer zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit schwebenden Malerei.weiterlesen