Entwicklung eines integralen Modellansatzes zur immissionsorientierten Bewirtschaftung von Kanalnetz, Kläranlage und Gewässer
Produktform: Buch
Mit Hilfe eines integrierten Simulationsmodells wird dem für das Flussgebietsmanagement zuständigen Ingenieur ein Planungshilfsmittel an die Hand gegeben, das es ihm ermöglicht, Stoffeintragspfade aus den verschiedenen wasserwirtschaftlichen Systemen in das Gewässer zu erkennen und die Wechselwirkungen zwischen den Einzelsystemen zu analysieren. Es wird somit die Voraussetzung für eine ganzheitliche Optimierung des Gesamtsystems geschaffen.
Das Planungswerkzeug wird für das Gewässer Dhünn bei der Entwässerung der Gemeinde Odenthal angewendet.
Der in der Arbeit beschriebene Modellansatz eignet sich schwerpunktmäßig zur dynamischen Analyse von Einzelereignissen. Zu Beginn der Arbeit wird der Immissionsansatz im Gewässerschutz näher vorgestellt. Es werden die bisher entwickelten Ansätze für eine integrierte Simulation sowie die bestehenden Modellansätze für die einzelnen Teilsysteme beschrieben. Zentraler Punkt der Arbeit ist die Anleitung zur Auswahl von geeigneten Modellkomponenten, die sich an den Möglichkeiten der Systembewirtschaftung orientieren. Anhand der gewählten Modellkombination kann der Ingenieur diejenige Bewirtschaftungsstrategie für Kanalnetz, Kläranlage und Gewässer ermitteln, welche die für den Gewässerschutz günstigste Lösung darstellt. Nach der Anwendung der Systematik werden dann die Anwendungsgrenzen und der Entwicklungsbedarf aufgezeigt.
Zusammenfassung
In der Siedlungswasserwirtschaft wurden in der Vergangenheit Maßnahmen an den Abwasserableitungs- und Behandlungssystemen emissionsorientiert und ohne Betrachtung der wechselseitigen Auswirkungen geplant. Neue Anforderungen, die z.B. in Europa durch die Wasserrahmenrichtlinie eingeführt wurden, fordern eine gewässerorientierte Planung von Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässergüte. In dieser Arbeit wurde ein integriertes Simulationsmodell für Kanalnetz, Kläranlage und Gewässer entwickelt, das eine immissionsorientierte Planung von Bewirtschaftungsmaßnahmen ermöglicht.
Die Stoffflussanalyse und das Verständnis der Ursache-Wirkung-Beziehungen der in der Siedlungsentwässerung ablaufenden Prozesse ist Voraussetzung für die Durchführung integrierter Planungsprozesse. In einem integrierten Simulationsmodell müssen die Prozesse abgebildet werden, die einen Einfluss auf die Gewässergüte haben. Zielgröße der Planungen soll der „gute Zustand“ im Gewässer sein. In der Planungspraxis müssen daher an das jeweilige Gewässer angepasste Leitwerte festgelegt werden. An Stelle eines fixen Leitwertes wird ein Ansatz vorgestellt, wie sich der Leitwert an die Häufigkeit und Dauer von Einleitungsereignissen anpassen lässt.
Die Erfordernis zur Entwicklung von Simulationsmodellen, die die Wechselwirkungen zwischen den Teilsystemen berücksichtigen, wurde bereits kurz nach Entwicklung des Activated Sludge Model No. 1 (ASM 1) vor etwa 15 Jahren erkannt. Nachfolgend wurden daraus verschiedenste Ansätze zur integrierten Simulation von Kanalnetz und Kläranlage entwickelt. Auch die Einbeziehung des Gewässers in die Modelle wurde umgesetzt. Der in dieser Arbeit entwickelte Modellansatz stellt eine Fortentwicklung der bisher existierenden Ansätze dar.
Das integrierte Modell zeichnet sich dadurch aus, dass in allen Teilsystemen Prozessmodelle verwendet werden, die den qualitativen und quantitativen Zustand des Systems dynamisch wiedergeben können. Es werden Modelle verwendet, die das gleiche Grundkonzept, angelehnt an das Activated Sludge Model, verfolgen. Somit ist die Kompatibilität an den Schnittstellen der Teilsysteme gegeben. Die verwendete Simulationsumgebung hat eine offene Oberfläche, die dem Anwender ein Anpassen der Modelle und der Systemstruktur an die gestellte Fragestellung erlaubt. Zudem ist eine parallele Simulation aller Teilprozesse möglich, wodurch die Wechselwirkungen zwischen den Teilsystemen bei der Simulation berücksichtigt werden können.
Die für die Abbildung der verschiedenen Teilprozesse verwendeten Modellansätze werden erläutert. Hierbei wird ein Schwerpunkt auf die Anpassbarkeit der Modelle an die verschiedenen Fragestellungen gelegt. Einen wesentlichen Bestandteil bildet dabei die Gewässergütesimulation, für die das erst kürzlich veröffentliche IWA River Water Quality Model (RWQM) verwendet wird.
Dieses Modell beinhaltet einen umfassenden Formel- und Parametersatz. Entsprechend der zu untersuchenden Fragestellung und der im Einzelfall festzulegenden Zielgrößen im Gewässer muss das komplexe Modell angepasst werden.
Das Erreichen eines „Guten Zustandes“ im Gewässer kann durch unterschiedlichste Maßnahmen im Einzugsgebiet, im Kanalnetz, in der Kläranlage und im Gewässer selber erreicht werden. Mögliche Maßnahmen werden beschrieben.
Besonders herausgestellt werden dabei solche Maßnahmen, die durch veränderte Betriebsweisen und ohne größeren Umbauten der bestehenden Systeme erreicht werden können. Hierbei spielt die Steuerung bzw. Regelung bestehender Systeme eine große Rolle. In Zeiten des Kostendruckes ist es Betreiberpflicht, vorhandene Systeme besser auszunutzen, bevor Geld für den Neubau von Behandlungsanlagen investiert wird. Eine interessante Option für die Zukunft wird sein, mit Hilfe von auf online-Messungen basierenden integrierten Vorhersagemodellen, Kläranlagen, Kanalnetze und den Gewässerabfluss zu steuern.
Die integrierte Modellierung unterstützt den Planer bei der Maßnahmewahl, indem durch eine Stoffflussanalyse im Ist-Zustand Belastungspfade und Gütedefizite ermittelt werden. Hieraus kann der Planer gezielt Maßnahmen zur Behebung der Defizite entwickeln. Das integrierte Modell unterstützt den Planer dann wiederum bei der Szenarienanalyse, in der die Auswirkung verschiedener Maßnahmen auf die Gewässergüte untersucht werden muss. Hierbei werden auch die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Maßnahmen berücksichtigt. Zur Abbildung der verschiedenen Maßnahmen ist eine Anpassung des integrierten Modells erforderlich. Die von der Maßnahme betroffenen Prozesse werden dargestellt und es wird erläutert, wie das Modell zur Analyse der Maßnahme aufgebaut werden muss.
Die Anwendung des integrierten Modells erfolgt am Beispiel des Gewässers Dhünn und dem Entwässerungssystem der Gemeinde Odenthal. Der Nebenfluß der Wupper wird als Lachslaichgewässer eingestuft. Es gelten daher besondere Anforderungen an den Gewässerschutz. Das integrierte Modell konnte an einzelnen Mischwasserereignissen kalibriert werden. Bei der Szenarienanalyse stellten sich die besonders strengen Leitwerte für die Dhünn als besondere Herausforderung dar. Bei den unterschiedlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen zeigten sich die dynamische Talsperrensteuerung und die integrierte Steuerung von Kanalnetz, Kläranlage und Gewässer als besonders effektiv. Anhand des Anwendungsfalls wurden Anwendungsgrenzen und Ansätze zur Weiterentwicklung der integrierten Simulation im Allgemeinen und des Simulationswerkzeugs im Speziellen diskutiert.
Die integrierte Modellierung von Kanalnetz, Kläranlage und Gewässer ist bei der Planung und Bewertung von Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässergüte im Vorteil gegenüber den bereits weit verbreiteten Einzelmodellen für die Teilsysteme.
Die Wechselwirkungen zwischen den Teilsystemen werden berücksichtigt. So kann vermieden werden, dass sich Maßnahmen, die Verbesserungen in einem Teilsystem bewirken, in anderen Teilsystemen negativ auf die Reinigungsleistung bzw. die Gewässerqualität auswirken. Die Aufstellung eines integrierten Modells erfordert die ganzheitliche Auseinandersetzung mit den Systemen der Siedlungswasserwirtschaft und dem Gewässer. Nur so können zukünftig Maßnahmen mit dem Ziel des „Guten Zustands“ im Gewässer abgestimmt geplant werden. Die integrierte Simulation ist der Ausdruck einer neuen Denkweise in der Siedlungswasserwirtschaft: Weg vom sektoralen und emissionsorientierten Denken hin zum systemübergreifenden Stoffstrommanagement zur Verbesserung der Gewässergüte.weiterlesen
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