Weiterentwicklung der stoffbezogenen Maßnahmenplanung zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie am Beispiel des Einzugsgebietes der Ilm
Produktform: Buch
Sten Meusel
Weiterentwicklung der stoffbezogenen Maßnahmenplanung zur Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie am Beispiel des Einzugsgebietes der Ilm
Band 21. Schriftenreihe des Lehrstuhls Abfallwirtschaft und des Lehrstuhls Siedlungswasserwirtschaft
308 Seiten. DIN A5. Broschur. 2008. Preis: 29,80 Euro. Zahlr. Abbildungen und Tabellen, 7 davon farbig. ISBN 978-3-938807-90-3. ISSN 1862-1406. Rhombos-Verlag.
Für die schrittweise Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie ist es notwendig, zahlreiche neuartige Ansätze bzw. Methoden zu entwickeln, die gemäß den Zielen der Richtlinie ein interdisziplinäres Fachspektrum abdecken müssen. Ziel der Dissertation war daher die Entwicklung einer integrierten Methodik zur Identifizierung kosteneffektivster Maßnahmen. Zur thematischen Abgrenzung beschränkte sich die Arbeit auf die Untersuchung stofflicher Einträge in die Binnengewässer (Schwerpunkt Fließgewässer), ohne die ganzheitliche Analyse für alle gewässerbeeinträchtigenden Ursachen zu vernachlässigen. Bestehende Ansätze aus der Literatur wurden vor dem Hintergrund einer umfassenden Recherche der thematischen Grundlagen schrittweise miteinander verglichen und notwendige Verbesserungen abgeleitet.
Für die „ergänzenden“ Maßnahmenbetrachtungen war eine stärkere Fokussierung auf die Anforderungen und die daraus bestimmten biologischen Defizite bzgl. des „guten ökologischen Zustandes“ der Oberflächengewässer vorzunehmen. Nach dem vorliegenden Entwicklungsstand der Bewertungsverfahren konnten nur die Parameter BSB5, oPO4-P bzw. Pges, Salz, Durchgängigkeit sowie eine Versauerung weitgehend klar als Ursachen für Defizite biologischer Qualitätskomponenten zugeordnet werden. Um auf der Ebene von Flussteileinzugsgebieten ebenfalls die akuten toxischen Wirkungen niederschlagsbedingter Abwassereinleitungen im Gewässer berücksichtigen können, wurden Kriterien für eine notwendige Anwendung immissionsbedingter Nachweise erstellt und diese mit der integrierten Methodik verknüpft.
Da die gemessenen und/oder modellierten stofflichen Emissionen der jeweiligen Eintragspfade unterschiedliche Genauigkeiten aufweisen, wurde ein Konzept mit Unsicherheitsfaktoren f1 bis f7 entwickelt, über deren Anwendung im Zusammenhang mit weiteren Unsicherheiten aus der Prognose des „Baseline-Scenarios“, dem Ansatz der LAWA-Orientierungswerte, den vorliegenden Immissionsdaten, den Kenngrößen zur Maßnahmenumsetzung sowie den Modellansätzen zur Nutzenabschätzung mögliche Minimal- und Maximalwerte der Maßnahmenkosten und ‑nutzen berechnet werden können. Die Ergebnisse sollten bei der abschließenden Entscheidungsfindung und Maßnahmenauswahl berücksichtigt werden, da sie die mögliche Spannweite des finanziellen Aufwandes zur Erreichung der Umweltziele aufzeigen.
Die Erweiterung von Kosten-Nutzen-Betrachtungen um den stoffbezogenen Maßnahmennutzen bediente sich vorhandener umweltökonomischer Instrumente in der Vorstellung eines vereinfachten empirischen „Stufenmodells“. Neben der bereits praktizierten Bestimmung „unverhältnismäßig hoher“ Belastungen für Kostenträger wurde somit eine Möglichkeit eröffnet, die ökonomische Verhältnismäßigkeit der stoffbezogenen Maßnahmen abwägen zu können.
Durch eine schrittweise Anwendung der integrierten Methodik am Flusseinzugsgebiet der Ilm konnte die Praktikabilität der Ansätze überprüft und dokumentiert werden. Ergebnis dieser Anwendung sind mittlere Gesamtkosten (ohne Verwendung der f-Faktoren) zur Erreichung eines „guten Zustandes“ in den Oberflächengewässern und im Grundwasser von 186.000 €/a für eine Umsetzung der „grundlegenden Maßnahmen“ und 16,18 Mio. €/a für eine Realisierung „ergänzender Maßnahmen“. Die zu erwartenden Kosten können bei Einbeziehung möglicher Abweichungen bzw. Unsicherheiten zwischen 2,32 Mio. €/a minimal und 159,70 Mio. €/a schwanken, wobei die Unterschiede vor allem aus den Unsicherheiten bei einer Maßnahmenimplementierung in der Landwirtschaft resultieren. Die Variationskoeffizienten dieser Maßnahmenkosten betragen bis zu 170 %.
Auf Grundlage der Nutzen-Kosten-Betrachtung scheint trotz signifikanter Ergebnisunsicherheiten bei ausschließlicher Betrachtung des Ilm-Einzugsgebietes, wahrscheinlich eine ökonomische Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmenkosten zu bestehen. Ca. 95 % des Gesamtbetrages fallen jedoch aufgrund der Vermeidung einer erhöhten Trophie an, deren ökonomischer Nutzen im Rahmen der Dissertation nur ungenügend quantifiziert werden konnte, da angenommen wird, dass er sich hauptsächlich aus einer Vermeidung der Umweltschäden im Meer ergibt. Diese Nutzeffekte sind in einer übergeordneten Untersuchung der gesamten Flussgebietseinheit zu monetarisieren.
Die entwickelte integrierte Methodik erwies sich bei der Anwendung am Beispiel des Ilm-Einzugsgebietes als praktikabel, sodass die Übertragbarkeit auf vergleichbare Flussgebiete möglich sein sollte. Voraussetzung für eine Anwendung ist vor allem eine ausreichende, weitgehend konsistente Datenlage, um Fehlentscheidungen und widersprüchliche Ergebnisse zu minimieren.
Aufgrund der fachlichen Interdisziplinarität ergeben sich vielfältige Ansätze für zukünftige Verbesserungen der Methodik, die im Kontext weiterer Untersuchungen durchzuführen sind und folgende Punkte aufgreifen könnten:
Fortschreibung des Maßnahmenkataloges
Erweiterung der Systemgrenzen um strukturelle, mengenmäßige und direkt biologische Belastungen auf die Gewässer
Verknüpfung mit den Belangen des Naturschutzes
Entwicklung von anknüpfenden verursachergerechten Kostenverteilungsmodellen auf Flussgebietsebene
Betrachtung der zeitlichen Ebene bei der Maßnahmenumsetzung und -priorisierung
Bei allen Weiterentwicklungen sollten stets die Unsicherheiten der Planung berücksichtigt werden, da sie nach den Ergebnissen dieser Arbeit als ein zentrales Element der integrierten Maßnahmenanalysen angesehen werden dürfen.
Das Ziel eines optimierten Gewässerschutzes im Sinne der EG-Wasserrahmenrichtlinie kann nur erreicht werden, wenn neben übergeordneten Leitbildern pragmatische, nicht-politisch motivierte interdisziplinäre Konzepte von Seiten der Wissenschaft vorgeschlagen und durch die wasserwirtschaftliche Administration aufgegriffen werden. Die im Rahmen dieser Arbeit abgeleitete Methodik soll hierzu einen Beitrag liefern und kann von den zuständigen Behörden bei der weiteren nationalen Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie als wissenschaftlich fundiertes und transparentes Werkzeug vollständig oder partiell genutzt werden.weiterlesen